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KI in der Logistik Teil 2 - Chancen und Risiken

KI in der Logistik Teil 2

Chancen und Risiken

Was ist künstliche Intelligenz und wo steht die Entwicklung heute? Das haben wir im ersten Teil unserer Blog-Trilogie KI in der Logistik geklärt. Im zweiten Teil schauen wir uns an, wo Künstliche Intelligenz großes Potenzial hat, aber auch, wo ihre Risiken und ethischen Grauzonen liegen. 

ChatGPT und Midjourney

Kurzer Exkurs zu zwei Stars des aktuellen KI-Hypes: ChatGPT wurde von OpenAI entwickelt und nach seiner Veröffentlichung keineswegs als KI bezeichnet. Es ist genau genommen ein fortschrittlicher Chatbot und basiert auf einem großen Sprachmodell (Large Language Model, LLM), das mit riesigen Mengen an Textdaten trainiert wurde. Dadurch kann ChatGPT menschenähnliche Texte generieren, Fragen beantworten, kreative Inhalte erstellen und vieles mehr. Auch die Veröffentlichung einer generativen Bild-KI wie Midjourney – aus einem Text-Prompt werden innerhalb von Sekunden fotorealistische Bilder – hat den Hype ebenfalls befeuert. 

Trainingsdaten und belastende Arbeitsbedingungen für KI

Die nötigen Trainingsdaten werden sehr kritisch betrachtet. Wo kommen sie her? Verletzen sie Urheberrechte, indem sie originäre Inhalte “kopieren” und als eigene Produkte vermarkten? Und schließlich: Wie wurden kritische, diskriminierende, hetzende – kurz toxische Inhalte – gefiltert? So interviewt unter anderem die Journalistin Anne-Careen Stoltze von der Schweizer BFH Wirtschaft im Wissenschaftsmagazin SocietyByte zwei Wissenschaftlerinnen zum Thema “Traumatische Klickarbeit: Die Menschen hinter ChatGPT”

Fazit des Interviews: KI ist auf menschliche Arbeit wie Codierung, Klassifizierung und Datenbereinigung angewiesen, On-Demand-Arbeit, einfache, repetitive, aber belastende Aufgaben, die per Plattformen wie Amazon Mechanical Turk teils in Billiglohn-Länder ohne Sozialstandards ausgelagert werden. Diese “Geisterarbeit” läuft unsichtbar ab, wird meist sehr gering je nach Aufgabe und z.B. pro Klick bezahlt. Es gibt für die Arbeitnehmer keinen Arbeitsschutz, Feedback oder die Möglichkeit, mit Führungskräften zu sprechen. 

So hat das US-amerikanische Unternehmen OpenAI, dem ChatGPT gehört, laut einer Recherche des TIME Magazine zur Lancierung von ChatGPT eine Firma in Kenia beauftragt, um toxische, von Menschen generierte Inhalte, die zunächst in der Trainingsphase automatisch verarbeitet werden, zu filtern. Diese Inhalte behandeln auch extreme Themen wie Tierquälerei, Suizide, körperliche und sexuelle Gewalt – die ganze Bandbreite menschlicher Stereotype in hunderte Milliarden von Wörtern. In neunstündigen Schichten wurden jeweils bis zu 250 Textpassagen von bis zu 1.000 Wörtern gelesen. Das ist gerade wegen vieler schockierender Inhalte psychisch belastend. Betreut werden die Arbeitnehmer dabei nicht. Sie verdienten unter 2 Dollar pro Stunde. Hinter der Hochglanz-Oberfläche von KI gibt es also fragwürdige Arbeitsbedingungen, Bezahlmodelle und Umsetzungspraktiken.

Symbolgrafik eines neuralen Netzwerkes in Form eines menschlichen Gehirns, dass einen Container-Terminal verwaltet und steuert

Grafiken: Generiert mit KI

Was macht neuronale Netze besonders?

ChatGPT und Midjourney basieren auf neuronalen Netzwerken wie dem Rosenblatt Perzeptron aus den 1950er-Jahren! Neu ist KI also nicht, sondern ein kontinuierlicher Prozess mit Höhen und Tiefen, der seit über 70 Jahren andauert. Nach einem "KI-Winter" in den 1960er und 1970er-Jahren nimmt seit den 1980er Jahren die Entwicklung neuronaler Netzwerke und maschinellen Lernens wieder Fahrt auf. Mit dem Aufkommen von Big Data, leistungsfähigerer Hardware und Deep Learning ab den 2000er Jahren wurden Durchbrüche wie autonomes Fahren, Sprachübersetzung und medizinische Diagnostik erzielt.

Neuronale Netze sind eine Art von KI-Modellen, die von der Struktur und Funktionsweise des menschlichen Gehirns inspiriert sind. Sie bestehen aus miteinander verbundenen Einheiten, sogenannten Neuronen, die Informationen verarbeiten und weiterleiten. Jedes Neuron empfängt Eingaben von anderen Neuronen, gewichtet diese Eingaben und berechnet eine Ausgabe, die an andere Neuronen weitergegeben wird. 

Durch die Anpassung der Gewichtungen während des Trainings können neuronale Netze komplexe Muster in Daten erkennen und lernen, Aufgaben wie Bilderkennung, Sprachverarbeitung und Entscheidungsfindung zu bewältigen.

KI und intelligente Algorithmen

KI und Algorithmen unterscheiden sich in dem Sinne, dass KI eine Weiterentwicklung und ein ganzes Bündel, eine Kombination bestimmter Algorithmen ist, die auf dem jetzigen Entwicklungsstand darauf abzielen, menschenähnliche Intelligenz nachzubilden. Genaugenommen ist KI nicht etwas anderes als Algorithmen, sondern eine Sammlung intelligenter Algorithmen.

Wie und wann klassische intelligente Algorithmen und KI optimal eingesetzt werden, hängt daher von der spezifischen Anwendung, den verfügbaren Daten und den gewünschten Ergebnissen ab. KI ist nicht per se “besser” als klassische bzw. anders ausgerichtete Algorithmen.

Klassische Algorithmen werden für bestimmte, klar eingegrenzte bzw. definierte Ziele ohne “Interpretationsspielraum” eingesetzt, z.B. die Lösung von komplexen Berechnungen und fehlerfreie, schnelle Weiterverarbeitung von Daten. Algorithmen sind eine Reihe von Anweisungen, die zur Lösung eines Problems oder zur Durchführung einer Aufgabe verwendet werden. Sie können einfach oder komplex sein, aber sie folgen immer einem vordefinierten Satz von Regeln.

Schwache KI kann dagegen besonders gut große Datenmengen erfassen und statistisch auswerten, Muster erkennen, nach dem Maßstab menschlicher Intelligenz eigenständig Prognosen, Interpretationen von Daten und Entscheidungen treffen – also “abwägen” und Informationen weitaus schneller nach menschlichen Denkmustern zusammenfassen, gewichten und verarbeiten, als das für Menschen möglich ist. KI-Systeme finden Lösungen, ohne dass diese explizit vorher programmiert worden sind. Sie nutzen eine Reihe intelligenter Algorithmen, insbesondere aus dem Bereich des maschinellen Lernens bzw. Machine Learning (ML), um aus Daten zu lernen und sich laufend zu verbessern. 

Wo KI als überlegen angesehen wird

  • Anpassungsfähigkeit: KI-Systeme können sich an neue Daten und Situationen anpassen, während traditionelle Algorithmen auf vordefinierten Regeln basieren und möglicherweise nicht in der Lage sind, mit unerwarteten Eingaben umzugehen.
  • Komplexität: KI kann komplexe Probleme lösen, die für traditionelle Algorithmen zu schwierig oder zeitaufwändig wären.
  • Autonomie: KI-Systeme können in gewissem Maße autonom handeln und ohne menschliche Eingriffe Entscheidungen treffen.

Wo traditionelle Algorithmen Vorteile bieten

  • Erklärbarkeit: Traditionelle Algorithmen sind oft einfacher zu verstehen und zu interpretieren, was in Bereichen wie Logistik, Medizin oder Finanzwesen wichtig ist.
  • Echtzeit-Anforderungen: KI-Modelle können rechenintensiv sein. Daher sind klassische Algorithmen sinnvoll, wenn es auf schnelle Reaktionszeiten ankommt.
  • Begrenzte Daten: Wenn nur wenige Daten verfügbar sind, können traditionelle Algorithmen besser abschneiden als KI-Modelle, die große Datenmengen zum Lernen benötigen.
  • Regelbasierte, berechenbare Aufgaben: Berechenbare Aufgaben haben genau definierte, regelbasierte Ziele, die Algorithmen ohne “Interpretationsspielraum” fehlerfrei und schnell abarbeiten.

Die Wahl zwischen KI und traditionellen Algorithmen hängt daher von der spezifischen Anwendung, den verfügbaren Daten und den gewünschten Ergebnissen ab. Einige mögliche Anwendungen für Künstliche Intelligenz und Beispiele aus der Logistik verdeutlichen das:

Den richtigen Frachtführer anhand der Preisstruktur auszuwählen, ist eine Rechenaufgabe auf Basis eines umfassenden Carrier-Vergleichs. Die Ware strategisch so einzulagern, dass sie wieder schnell, fehlerfrei, streckenoptimiert und mit möglichst wenig Zeit- und Personalaufwand gepickt werden kann, basiert auf Maßen, Wegstrecken, Lagerkennzahlen und Geschäftszahlen – die perfekte Grundlage für die regelbasierte Verarbeitung durch Algorithmen. Auch intelligente Algorithmen, die nicht explizit die menschliche Intelligenz nachbilden, sind bei bestimmten Aufgaben schneller und untrüglicher als das menschliche Denken. 

Wir bei Logentis würden daher intelligente Algorithmen nie als KI verkaufen. Die technischen Möglichkeiten von KI sind enorm, und wir setzen uns intensiv mit ihnen auseinander. Hinterfragen aber auch Herausforderungen beim Datenschutz, bei der Cyber-Sicherheit und bei der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen. Denn KI benötigt große Datenmengen, um trainiert zu werden, sie muss gezielt trainiert werden, und sie ist auf große Speicher und teure, leistungsfähige Infrastruktur angewiesen. 

Herausforderungen und Risiken von KI

Es gibt noch viele weitere Herausforderungen und Risiken auf dem Weg zu einer leistungsfähigen KI für die Logistik zu bewältigen. Künstliche Intelligenz ist Forschung an Pilotprojekten, und daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern, auch wenn das Momentum der Entwicklung zulegt.

Jobverlust und Akzeptanz

Automatisierung in der Logistik, auch durch KI, führt auf der einen Seite zur Entlastung von Personal und mildert den Fachkräftemangel. KI hat aber auch immer das Potenzial, bestimmte repetitive Jobs überflüssig zu machen. Wer KI einführt, muss auch im Sinne des Unternehmensimages um Akzeptanz dafür werben.

Datenschutz und Sicherheit

KI-Systeme sammeln und verarbeiten oft große Mengen an Daten, die auf externen Servern bzw. in großen Clouds abgelegt werden. Das birgt immer Risiken für den Datenschutz und die Sicherheit.

Verzerrungen und Diskriminierung

KI-Algorithmen können bestehende Vorurteile und Diskriminierung in den Trainingsdaten verstärken und “ungerechte”, diskriminierende und subjektiv eingefärbte Ergebnisse liefern, abhängig von den zugrunde liegenden Trainingsdaten. 

Mangelnde Transparenz

Komplexe KI-Modelle sind oft schwer zu interpretieren, ihre Entscheidungen schwerer nachzuvollziehen.  

Abhängigkeit von Technologie

Unternehmen können von KI-Anbietern und deren Technologie abhängig werden. Nur wenige große Tech-Konzerne sind überhaupt in der Lage, KI zu betreiben und weiterzuentwickeln. Das schränkt die Flexibilität und Kontrolle für KI-Nutzer ein.

Hohe Anfangsinvestitionen

Die Implementierung von KI-Systemen erfordert oft erhebliche Investitionen in Hardware, Software und Fachwissen. Es entstehen Kosten für Entwicklung, KI Training, Rechenleistung und Lizenzgebühren. Hinzu kommen

Laufende Wartungskosten

Auch KI-Modelle müssen kontinuierlich aktualisiert und gewartet werden, um leistungsfähig zu bleiben.

Auch KI macht Fehler

Künstliche Intelligenzen sind selbstlernende Systeme, das heißt aber auch, dass sie Fehler machen (und daraus lernen), dass sie unerwartete bzw. ungünstige Ergebnisse liefern, die KI-Nutzern finanziell oder anderweitig schaden können.

Ethische Bedenken

Der Einsatz von KI wirft ethische Fragen auf, beispielsweise, wenn sie zur Manipulation von Informationen, für Hackerangriffe und Schadsoftware oder auch in autonomen Waffen eingesetzt wird.  

Soweit zu den Schattenseiten von Künstlicher Intelligenz und den offenen Fragen rund um ihren Einsatz. Im dritten und finalen Teil unserer Blogreihe KI in der Logistik widmen wir uns den Potenzialen für die Logistik.

Den ersten Teil der Blogreihe verpasst? 

KI in der Logistik - Teil 1: Definition KI und Entwicklungsstand

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