Kabotage bezeichnet im Transportwesen das Recht, innerhalb eines Landes Güter oder Personen zu befördern, wenn der Transport von einem ausländischen Transportunternehmen durchgeführt wird. Ursprünglich vom Seerecht abgeleitet, wo es die Küstenschifffahrt betraf, wird der Begriff heute primär im Straßen- und Luftverkehr verwendet. Innerhalb der Europäischen Union sind die Regeln für die Kabotage im Straßenverkehr in der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 festgelegt, welche die Liberalisierung des Güterkraftverkehrs im EU-Binnenmarkt regelt.
Das Konzept der Kabotage ist politisch und wirtschaftlich hochrelevant und oft Gegenstand intensiver Debatten, da es direkt die nationalen Transportmärkte und die Wettbewerbsbedingungen beeinflusst.
Kabotage im EU-Binnenmarkt
Um einen freien Warenverkehr innerhalb der EU zu gewährleisten, wurde die Kabotage unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Die grundlegende Regelung besagt:
Voraussetzung der Kabotage
Ein Transportunternehmen aus einem EU-Mitgliedstaat, das eine grenzüberschreitende Beförderung in einen anderen EU-Mitgliedstaat durchgeführt hat, darf nach dem Entladen der internationalen Fracht innerhalb des Ziellandes (oder eines anderen EU-Landes auf dem Rückweg) bis zu drei Kabotagefahrten mit demselben Fahrzeug durchführen.
Frist von Kabotagegefahrten
Diese Kabotagefahrten müssen innerhalb von sieben Tagen nach dem Entladen der internationalen Beförderung abgeschlossen sein.
Begrenzung der Kabotage
Wenn das Transportunternehmen nach der grenzüberschreitenden Fahrt das Zielland verlässt und in ein anderes EU-Land einfährt, darf es dort nur noch eine Kabotagefahrt innerhalb von drei Tagen durchführen, bevor es das Land wieder verlassen muss ("Mini-Kabotage").
Regelmäßiger Kabotageverkehr ist verboten
Die Kabotage darf nicht dazu missbraucht werden, um einen dauerhaften oder systematischen Transportdienst in einem anderen Mitgliedstaat ohne entsprechende Niederlassung zu etablieren. Sie soll dazu dienen, Leerfahrten zu vermeiden und die Effizienz des internationalen Verkehrs zu steigern.
Ziele und Auswirkungen der Kabotageregelungen
Effizienzsteigerung und Umweltschutz
Durch die Möglichkeit, nach einer internationalen Fahrt weitere Ladungen im Zielland aufzunehmen, können Leerfahrten reduziert und die Auslastung der Fahrzeuge verbessert werden. Dies spart Kraftstoff und mindert CO2-Emissionen.
Wettbewerb
Kabotage fördert den Wettbewerb auf den nationalen Transportmärkten. Das kann potenziell zu niedrigeren Frachtkosten für Unternehmen führen.
Herausforderungen und Debatten rund um Kabotage
Sozialdumping
Kritiker befürchten, dass Transportunternehmen aus Ländern mit niedrigeren Lohnkosten die Kabotageregeln nutzen könnten, um dauerhaft Transporte in Ländern mit höheren Lohnkosten zu Dumpingpreisen anzubieten. Dies könnte den nationalen Transportunternehmen und deren Fahrern schaden.
Kontrolle und Durchsetzung der Kabotage
Die Überwachung und Durchsetzung der komplexen Kabotageregelungen ist für die nationalen Behörden oft schwierig und personalintensiv. Auch die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer im Kabotageverkehr ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der genau kontrolliert werden muss, um faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
Um den genannten Herausforderungen zu begegnen, wurde im Rahmen des Mobilitätspakets 1 der EU (verabschiedet 2020) eine "Abkühlphase" für Kabotagefahrten eingeführt: Nach den erlaubten drei Kabotagefahrten muss ein LKW nun vier Tage lang das Gastland verlassen, bevor er dort wieder Kabotagefahrten durchführen darf. Dies soll den Aufbau von systematischem Kabotageverkehr verhindern und die Wettbewerbsbedingungen fairer gestalten.
Für Transportunternehmen und Unternehmen mit internationalen Lieferketten ist die genaue Kenntnis und Einhaltung der Kabotageregelungen von entscheidender Bedeutung, um rechtliche Risiken zu vermeiden und Transporte effizient zu planen.