Definition: Was ist ein Lastenheft?
Ein Lastenheft ist ein Dokument im Projektmanagement, das die Anforderungen eines Auftraggebers an ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Projekt beschreibt. Es dient als Grundlage für die Erstellung eines Pflichtenhefts, das vom Auftragnehmer erstellt wird und die konkreten Umsetzungsmaßnahmen enthält.
Das Lastenheft definiert klar und präzise die Wünsche und Anforderungen des Auftraggebers an ein zu realisierendes Produkt oder System. Es stellt den Rahmen dar, innerhalb dessen sich ein Projekt bewegen soll, indem es die "Was"-Fragen beantwortet: Was soll das System leisten, welche Funktionen sind erforderlich, und welche Ziele sollen erreicht werden?
Im Gegensatz dazu tritt das Pflichtenheft auf den Plan, um die "Wie"-Fragen zu klären; es beschreibt, auf welche Weise der Auftragnehmer diese Anforderungen technisch und organisatorisch umsetzen wird. Somit ist das Lastenheft die Basis, auf der das Pflichtenheft aufbaut.
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Die Rolle des Lastenhefts in der Logistik
In der Logistik spielen Lastenhefte eine wichtige Rolle, besonders bei der Einführung komplexer Systeme wie Warehouse Management Systeme (WMS) oder Multicarrier-Versandsysteme.
Lastenheft für ein Warehouse Management System (WMS)
Ein Lastenheft für ein geplantes WMS würde umfangreiche Informationen enthalten, u.a. zu Anforderungen an die Software, benötigte Funktionalitäten und Schnittstellen, die Verwendung bestimmter Datenbanken, die Hardware-Voraussetzungen für die Software, falls sie installiert wird; die Art des benötigten Operating Systems (OS) oder Betriebssystems, die Sicherheitsvorkehrungen der Software, die Instandhaltung, Wartung und damit verbundenen Support durch den Anbieter. Enthalten könnte das Lastenheft auch Angaben zur Schulung von Mitarbeiter, die die Software anwenden sollen, zur Umgebung, also Cloud oder On-Premises, zur System-Architektur, also browserbasierte Software oder Client-Software und zum Release-Management: Gibt es ein Release Management, und wie ist es organisiert?
Nachfolgend einige Beispiele zu den genannten Punkten:
Anforderungen
Anforderungen sind im weitesten Sinn die Ziele, die ein Unternehmen mit dem WMS anstrebt. Das Unternehmen möchte beispielsweise eine lückenlose Bestandsführung erreichen, Lagerprozesse optimieren und automatisieren sowie Fehler in der Kommissionierung und im Warenausgang reduzieren. Das WMS soll nahtlos mit einem bestehenden ERP-System und bestimmten Geräteperipherie wie Drucker und Scanner integriert werden und besonders nutzerfreundlich sein, damit häufig wechselndes Personal effizient und ohne lange Einarbeitungszeit das Lager verwalten kann.
Funktionalitäten
Das Warehouse Management System sollte z.B. leistungsstarke Funktionalitäten für Wareneingang, Kommissionierung, Inventur, Retoure und die nahtlose Anbindung an den Warenversand enthalten. Es soll z.B. aufschlussreiche Lagerdaten für die Optimierung von Lagerprozessen und Lagerkosten bereitstellen und möglicherweise selbst optisch aufbereiten, wie z.B. den Kommissionierfortschritt, den Lagerdurchsatz und andere Lagerkennzahlen.
Schnittstellen
Entscheidend für den erfolgreichen Einsatz eines neuen WMS ist, wie gut es sich an Vorsysteme anbinden lässt, mit diesen Daten austauscht und die Daten in Echtzeit synchronisiert. So sind sehr häufig ERP-Systeme, Produktionsplanungssysteme oder Versandsysteme angebunden, aber auch andere Software im Supply Chain Management muss effektiv mit dem WMS kommunizieren. Je besser die Schnittstellenoffenheit, umso besser lässt sich das WMS implementieren.
Datenbank
Hier gilt ähnlich wie bei den Schnittstellen, dass ein WMS mit allen gängigen Datenbanken implementierbar sein sollte. Bestimmte Unternehmen haben möglicherweise bestimmte Datenbank-Vorgaben und Präferenzen. Manche Datenbanken sind kostenpflichtig, andere beruhen auf Open Source und sind frei verfügbar.
Betriebssystem
Die Frage nach dem Betriebssystem ist sehr projektspezifisch. Wird ein Server-OS benötigt? Ein Client-OS? Das hängt von der Software-Architektur ab. Ist die Software monolithisch, wird klassisch installiert, ist sie modular, webbasiert und läuft in einem Server-Verbund? Browserbasierte Software läuft auf allen Endgeräten unabhängig vom darauf genutzten OS.
System-Architektur
Jede Softwarearchitektur hat Stärken und Schwächen, gängig sind u.a. Monolithische Architektur mit einer einzigen großen Anwendung, in der alle Funktionen und Komponenten verknüpft sind, eine Client-Server-Architektur für eine Benutzerschnittstelle (Client) und die Datenverarbeitung (Server), Schichtenarchitektur mit spezifischen Aufgaben in jeder Schicht oder eine Microservices-Architektur, bei der unabhängige Dienste über APIs miteinander kommunizieren. Dienste können kombiniert werden (Serviceoriente Architektur, SOA) oder reagieren auf Ereignisse (Ereignisgesteuerte Architektur). Die Wahl der richtigen Systemarchitektur hängt von den Anforderungen des Projekts, der Größe des Teams und den technischen Rahmenbedingungen ab.
Hardware-Voraussetzung
Warehouse Management Systeme können unterschiedliche Hardware-Voraussetzungen haben, abhängig von der Komplexität, dem Umfang und der Bereitstellungsform des Systems: Art und Größe des Lagers, Grad der Automatisierung, Art der Produkte und Bereitstellungsform (On-Premises oder Cloud) spielen eine Rolle. Das WMS NETSTORSYS reduziert die Hardware-Voraussetzung bis hin zum Betrieb über eine Cloud. Bei cloud-basierten WMS-Lösungen wird ein Teil der Hardware-Voraussetzungen (z. B. Server) in die Cloud verlagert. Unternehmen benötigen dann in der Regel weniger Hardware vor Ort, außer für Datenerfassung und Steuerung der Lagerprozesse.
Nötig sein kann serverseitige Hardware wie Server und Netzwerkinfrastruktur (On-Premises), clientseitige Hardware wie Computer, Terminals, Mobile Datenerfassungsgeräte (Barcode-Scanner, Handheld, Etikettendrucker) und – je nach Lagerart – Automatisierungstechnologien wie Fördertechnik, automatische Regalbediengeräte (RBG), Kommissioniersysteme wie Pick-by-Light oder Pick-by-Voice, Robotik.
Umgebung
Statt die Software zu kaufen, selbst vor Ort zu betreiben und die dazugehörige Hardware warten zu müssen, kaufen Unternehmen immer häufiger Nutzerlizenzen oder abonnieren die Nutzung einer Applikation. Der Betrieb in einer Cloud oder On-Premises ist bei NETSTORSYS frei wählbar. Innovatives Deployment stellt die Abhängigkeiten in vorkonfigurierten Containern bereit und ermöglicht zuverlässig einsatzfähige Systeme in vielen Umgebungen.
Sicherheit
Ein WMS sollte ein Reihe von Sicherheitskriterien erfüllen, um die Daten, Prozesse und das physische Lagergut angemessen zu schützen. Dazu gehören Datensicherheit durch Zugriffskontrolle, Datenverschlüsselung, Datensicherung und -wiederherstellung sowie Datenschutz, die Systemsicherheit durch Sicherheitsupdates, Malwareschutz, Firewalls und Netzwerksicherheit und Ausfallsicherheit, die physische Sicherheit durch Zugangskontrollen zum Serverraum und Schutz der Hardware vor Umwelteinflüssen, und Prozesssicherheit durch Notfallpläne, Schulungen und Audit-Trails, also Protokollen von System- und Benutzeraktivitäten. Die genauen Sicherheitsanforderungen variieren.
Schulung
Je intuitiver ein WMS zu bedienen ist, je übersichtlicher es Grafische User Interfaces (GUI) Bedienelemente, Prozesse und Informationen anordnet, aufbereitet und bei der täglichen Arbeit assistiert, umso geringer ist der Schulungsaufwand. Wie Mitarbeiter geschult werden sollten, welche Kapazitäten, Räumlichkeiten und Equipment dafür zur Verfügung stehen, kann ein Lastenheft definieren.
Wartung und Support
Zum erfolgreichen After Sales-Service gehören Kundenbetreuung und Wartung. Ein Support, der schnell auf Anfragen reagiert, die Software laufend weiterentwickelt und kontinuierlich per Updates neue Features und Fixes implementiert, unterstreicht die Kaufentscheidung und stärkt das Vertrauen in das System.
Release-Management
Unmittelbar mit Updates verknüpft ist die Frage nach einem Release-Management. Möglich ist u.a. die kontinuierliche Bereitstellung (Continuos Deployment), bei der Codeänderungen automatisch nach erfolgreichen Tests bereitgestellt werden, Continuous Delivery, bei der eine manuelle Bestätigung dem Livegang vorausgeht, geplante Releases nach festgelegten Zeitplänen, oft regelmäßigen Abständen und Feature Toggles oder Feature Flags, über die sich bestimmte Funktion in Produktionsumgebungen aus Testzwecken ein- und ausschalten lassen. Hotfixes bezeichnen dringende Fehlerbehebungen, Blue/Green-Deployement ist das Wechseln zwischen identischen Produktionssystemen, von einer alten (Blue) auf eine neue Version (Green) für den schnellen Rollback bei Problemen.
Unsere Software ist releasefähig. Wir entwickeln sie nach dem Prinzip des “Feature-Upstreaming” oder “Contribution”, integrieren also nur die kundenindividuellen Anpassungen und Erweiterungen in den Software-Standard, die relevant für eine breitere Nutzerbasis sind.
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Lastenheft für ein Multicarrier-Versandsystem
Bei einem Multicarrier-Versandsystem würde das Lastenheft Anforderungen wie beispielsweise eine flexible Versandabwicklung mit Anbindung verschiedener Versanddienstleister, die automatische Erstellung von Versandetiketten und die Sendungsverfolgung definieren. Hier kommen neben den unter dem Lastenheft für ein WMS genannten Informationen noch weitere hinzu, z.B Carrier, Versandarten, Verpackungen, Zoll, Tracking und Reporting des Warenversands.
Nachfolgend wieder einige Beispiele für mögliche Inhalte in einem Lastenheft für ein Versandsystem:
Carrier
Es gibt eine Reihe von Versanddienstleistern oder Frachtführern, von Speditionen bis Packversanddienstleistern bzw. KEP-Dienstleistern. Im Lexikonbeitrag zu Carriern erläutern wir die einzelnen Frachtführer. Ein Multicarrier-Versandsystem wie NETVERSYS digitalisiert und automatisiert den Versand über eine Vielzahl von Carriern und deren Services. Weitere können auf Kundenwunsch schnell hinzugefügt werden.
Versandarten und Services
Diese Frachtführer bieten eine Reihe von Services. Die Auswahl erfolgt regelbasiert auf Basis der Waren oder der Versandart, die vom Auftraggeber gewünscht ist. Gängige Versandarten sind Standardversand, Expressversand, Same Day Delivery (Lieferung am selben Tag), Next Day Delivery (Lieferung am nächsten Tag), Internationaler Versand, Luftfracht, Seefracht, Straßenfracht, Kurierdienste. Die Art der Waren, Kosten, Lieferzeit, Entfernung und Zielregion beeinflussen die Wahl der geeigneten Versandart.
Verpackungen für den Transport
Transportverpackungen dienen dazu, Waren während des Transports zu schützen. Dazu gehören beispielsweise Kartons, Paletten und Container. Versandsoftware kann Informationen über diese Verpackungen verarbeiten, z.B. Abmessungen, Gewicht und Art der Verpackung. Dies ist wichtig für die Auswahl des richtigen Versanddienstleisters, die Berechnung der Versandkosten und die Erstellung von Etiketten und Versandpapieren.
Zoll
Versandsoftware ist in der Regel nicht darauf ausgelegt, die komplexen Zollbestimmungen eines Landes umfassend zu interpretieren oder rechtsverbindliche Aussagen über die Zollbehandlung von Waren zu treffen. Vielmehr unterstützt sie den Versandprozess in Bezug auf Zollbestimmungen, indem sie die erforderlichen Daten bereitstellt, Dokumente erstellt und die Kommunikation mit anderen Beteiligten erleichtert. Für die eigentliche Zollanmeldung, Zolltarifbestimmung, Ursprungsprüfung und andere komplexe Zollangelegenheiten werden in der Regel spezialisierte Zollsoftware, Zollagenten oder andere Experten herangezogen.
Tracking
Versandsoftware kann wichtige Funktionen bereitstellen, um den Versandprozess für Unternehmen und Kunden transparenter, effizienter und planbarer zu machen: Echtzeit-Sendungsverfolgung, Bereitstellung wichtiger Informationen über den Versandvorgang, Integration von KEP- und Versandunternehmen, zentrales Track & Trace (Unified Track & Trace bei NETVERSYS), das einen die Versanddienstleister übergreifenden Überblick über alle Sendungen verschafft, sowie Dokumentation des Transports.
Reporting
Versandsoftware kann je nach Kundenwunsch über die Dokumentation von Sendungsverfolgungen hinaus Versandkostenberichte, Laufzeitberichte bzw. Lieferzeitenberichte, Leistungsberichte in Bezug auf Lieferzuverlässigkeit, Pünktlichkeit oder Schadensquote sowie Volumenberichte über das Versandvolumen im Zeitverlauf oder aufgeschlüsselt nach Produkt, Kunde oder Region bereitstellen. Möglich sind auch Retourenberichte für Handel und E-Commerce, und Berichte zur Compliance: Wurden spezifische Vorschriften, wie z.B. Zollbestimmungen oder Gefahrgutvorschriften, eingehalten?
Vom Lastenheft zum Pflichtenheft
Auf Basis dieses Lastenhefts erstellt der Auftragnehmer dann das Pflichtenheft. Hier wird detailliert beschrieben, wie die Bestandsführung technisch realisiert wird, welche Hard- und Softwarekomponenten zum Einsatz kommen und wie die Integration mit anderen Systemen erfolgt. Im Fall eines Warehouse Management Systems werden konkrete, detaillierte technische Prozesse für den Wareneingang, die Kommissionierung, Inventur, Retourenmanagement und Versandanbindung festgelegt und die Funktionen der mobilen Datenerfassung (MDE) spezifiziert.
Das Pflichtenheft würde im Fall eines Multicarrer-Versandsoftware beschreiben, wie die technische Anbindung der Versanddienstleister erfolgt, welche Daten aus dem ERP-System übernommen werden und wie die Kommunikation mit den Kunden über den Versandstatus sichergestellt wird. So wird durch das Zusammenspiel von Lasten- und Pflichtenheft ein reibungsloser Ablauf von der Anforderungsdefinition bis zur technischen Umsetzung gewährleistet.
Vorteile eines Lastenhefts
Ein Lastenheft hat viele Vorteile, darunter:
- Klare Definition der Anforderungen: Ein Lastenheft hilft dabei, die Anforderungen des Auftraggebers klar und präzise zu definieren.
- Verbesserte Kommunikation: Ein Lastenheft verbessert die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
- Geringeres Risiko: Ein Lastenheft reduziert das Risiko, dass das Projekt nicht den Erwartungen des Auftraggebers entspricht.
- Kosteneinsparungen: Ein Lastenheft kann dazu beitragen, Kosten zu sparen, indem es Missverständnisse und Nacharbeiten vermeidet.
Das Lastenheft ist ein wichtiges Instrument für die Planung und Durchführung von Projekten wie die Einbindung von Software für Intralogistik und Transportlogistik. Es hilft dabei, die Anforderungen des Auftraggebers klar und präzise zu definieren und das Risiko zu reduzieren, dass das Projekt nicht den Erwartungen entspricht. Die Erstellung eines Lastenhefts ist ein komplexer Prozess, der Zeit und Mühe erfordert und liegt idealerweise bei erfahrenen Fachleuten.